AQUATINTA / GRAPHIK


Nach allerersten Versuchen auf dem Gebiet der Radierung, vor allem der Strichätzung, in den 30er Jahren, eignete Hans Körnig sich die komplizierte Aquatintatechnik zu Beginn der 50er Jahre autodidaktisch an. Die ersten Platten ließ er 1953 noch in der Kunstakademie vom Drucker Erhardt abziehen, bei dem auch Otto Dix drucken ließ. Bald druckte er im eigenen Atelier weil nach seinem Verständnis jeder Radierer gleichzeitig auch der Drucker sein musste, „denn die vielen Korrektur- und Probedrucke erfordern einfach diesen Standpunkt.“[1]

Das gesamte Oeuvre beläuft sich auf ca. 1300 Arbeiten. Bis zu Körnigs Weggang aus Dresden entstanden knapp 300 Aquatinten. Neben der Malerei und Zeichnung war diese graphische Technik sein drittes künstlerisches Standbein bis er sich in den 60er Jahren ihr fast ausschließlich zuwandte.

In Dresden ritzte Hans Körnig melancholische Momentaufnahmen des Lebensgefühls der 50er Jahre in die Kupferplatten. Seine Motive fand er häufig auf den Straßen zwischen Wohn- und Arbeitsort; in Pieschen, wo er mit seiner Familie lebte und der Inneren Neustadt wo er sein Atelier hatte. Er fand sie in den alltäglichen Begebenheiten seines Familienlebens und im Leben der „kleinen Leute“. In den Werkstätten (Bei Schlossermeister Venus), den Wohnstuben (Altes Ehepaar) und den kleinen Geschäften (Bei Frau Müller). Friedhöfe (Totensonntag), Bahnanlagen (Abend am Bahndamm), Rummelplätze (Dresdner Vogelwiese), das Thema Karneval (Fasching in Pieschen) faszinierten ihn ebenso wie das barocke Dresden (Dresden).

Nostalgie und Tristesse, überbordende Fülle und Kleinteiligkeit wie klare, sparsame Linienführung charakterisieren seine Arbeiten gleichermaßen. Mit vielen Motiven setzte er sich gleichermaßen in seinen Zeichnungen und seiner Malerei auseinander.

In Bayern verarbeitete Körnig vornehmlich die Eindrücke seiner Reisen, die er nun unternahm. Es entstanden Zyklen zu Spanien, Italien, Paris, London, Istanbul und anderen Städten und Landschaften. In den siebziger Jahren als die ausgedehnten Reisen aus Altersgründen eingeschränkt werden mußten, rückte die Illustration immer mehr in den Mittelpunkt seines Interesses. Von Franz Kafka illustrierte er unter anderem
„Die Verwandlung“, „Das Schloss“ und „Das Urteil“. Weitere Zyklen entstanden zu E. T. A. Hoffmanns „Der goldene Topf“, dem Roman „Ulysses“ von James Joyce sowie zu „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes.

Über all die Jahre pflegte Körnig intensiv das Portrait. Vor allem die Mitglieder seiner Familie, seine Frau Lisbeth und seine Tochter Margarethe wurden in allen möglichen Stimmungslagen und Zuständen skizziert. Nicht zuletzt nahm er auch sein eigenes Altern und den damit verbundenen Verfall kritisch und ironisch unter die Lupe. Die letzten Arbeiten entstanden 1988. Aufgrund verminderter Sehfähigkeit wurde sein Strich zuletzt immer flüchtiger, verloren die Arbeiten der letzten Jahre zunehmend an Spannung und der zwingenden Magie des Schattens, welche der Aquatinta zu Eigen ist.

[1] Körnig: Über mein graphisches Schaffen. Manuskript.



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